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Wie alles WIRKLICH begann - unter der Erde.
1945. Frühjahr, aber kein wirkliches. In der ausgesprengten Höhle tief in den Bergen, in der sich die drei Männer ein letztes Mal treffen, ist davon nichts zu spüren. Beton, eine Reihe trostloser Strahler an der Decke, Maschinenteile, Kisten mit Dokumenten.
Gerade hatten sie gelost, nun weiss jeder der Drei, wohin seine Reise geht.
Der Mann im tadellosen Anzug zuckte die Schultern. "Gut, ich werde mich also den Siegern im Westen stellen... Vielleicht ist das am besten so, ich bin ja offiziell ziemlich unbelastet, und als Leiter des Programms bekannt, da werden sie sich die Finger lecken... Ich hole dann so viele von den Jungs nach, wie ich kann".
Sein Gegenüber in der schwarzen Uniform lächelte süffisant. "Wernher, ich beneide Dich nicht. Aber Du hast recht, es ist so am besten. Wälzt nur alle Schuld auf mich ab, ich werde ja, so alles glatt läuft, nicht wieder auftauchen... ich denke, ich weiss schon jemanden, den ich mit meinen Papieren nach Prag schicken kann, und ab da wird man nichts mehr von mir hören..."
Der Dritte salutierte. Auch er trug Uniform. "Ja, Gruppenführer, so soll es sein. Ich werde mich also weisungsgemäß in Dora überrollen lassen und hoffe dann mal, dass die Roten ihre eigenen Laboratorien nicht zu weit im kalten Sibierien betreiben... Es soll nicht nett sein da oben... Aber was solls."
Die drei umarmten sich, eine eigenartige Geste für sie, die sie sich persönlich nie nahe gekommen waren. Dann bestiegen die beiden Männer, die sich dem Feind stellen wollten, einen bereitstehenden Kübelwagen. Zwei Mann vom Wachkommando sprangen mit auf, dann rasten sie durch den Stollen davon, über Bahngleise, aus der letzten intakten Produktionsstätte ihres "Vereins" hinaus in die Dämmerung.
Hinter sich hörten sie dumpf eine Detonation verhallen, als von innen die vorbereiteten Sprengladungen am Stolleneingang gezündet wurden. Nur noch ein schmaler Lüftungsschacht, 100 Meter über eine stählerne Wendeltreppe, verband die, die dort unten ausharren sollten, nun noch mit der Aussenwelt.
Aber es war genug Sprit in den letzten Wochen hier eingelagert worden, die Versorgung der Generatoren und damit die Wasserhaltung und Luftversorgung war gesichert.
"Es war nicht alles vergeblich", sagte er sich, als er in den improvisierten Schlafsaal ging, wo schon die Telefonistin und die Stabssekretärin, die hier mit ihnen "überwintern" sollten, Feldbetten aufgeschlagen hatten. Eine grosse Kanne Kaffee stand dampfend auf dem Tisch. "Es wird sich aushalten lassen", dachte er bei sich. Wahrscheinlich hatte er doch das bessere Los gezogen.
....
Am nächsten Morgen erwachte er mit einem schrecklichen Kater. Mühselig musste er sich orientieren... er war im Bunker, tief unter der Erde. Es war der erste Tag seines "Winterschlafs". Warum fühlten sich seine Glieder wie zerschlagen an? Seine Hände waren verdreht und ohne Gefühl... Er konnte sich, wie er mit einem Anflug von Panik erkannte, nicht bewegen. Es war dunkel um ihn, sein Schlafsack umhüllte ihn fest, er konnte nicht hinaus.
Er schrie, irgendetwas, keine Antwort. Er versuchte, sich zu befreien, tobte sich aus. Schließlich kam er zu Ruhe. Keuchend versuchte er, sich im Dunkeln zu orientieren. Das ferne Brummen der Generatoren - die Anlage arbeitete also. Schließlich, er glaubte in einem Alptraum gelandet zu sein, beschloss er, abzuwarten. Die Zeit erschien ihm unendlich lang. Schliesslich hörte er Schritte und Stimmen. Hilda, die Telefonistin, und Gerda, die Stabssekretärin.
Er schrie sich erneut die Stimme aus dem Hals. Nichts, keine Reaktion. Plötzlich ging die Tür auf, und Hilda stand da, im Schein eines schwachen, von aussen hereindringenden Lichtes. Ihre Silouette in der Tür. Etwas hielt sie in der Hand. Als sie näher kam, sah er, was es war: eine Spritze. Offenbar aus der Notfallapotheke. Sie kam näher. Eine kühle Vorahnung durchzuckte ihn.
Eigentlich hätte er jetzt etwas sagen müssen... etwa "machen Sie mich los, oder ich bringe sie vor ein Kriegsgericht" - aber er war zu keiner Reaktion fähig. Sie kam auf ihn zu, stumm, setzte sich auf die Kante des Feldbettes, und hob aufreizend langsam die Spritze. Sie drückte ein wenig, ein Tropfen einer Flüssigkeit fiel, fiel auf den Boden, aus seinem Gesichtsfeld heraus. Er hatte den Blick starr auf sie gerichtet.
Dass sie eine Sadistin war, hatte er schon lange gewusst, sie hatte schon zwei Jahre in seinem Stab Dienst getan und sich auch ab und an bei Befragungen als sehr nützlich erwiesen. Auch wenn sie offenbar kalt und gefühllos war, hatte er dabei oft ein Leuchten in ihren Augen gesehen. Und dieses Leuchten erkannte er nun wieder. Eine eiskalte Hand schien sein Herz zu umfassen. Er stammelte "Bitte...", nutzlos, es war klar, sie stiess die Spritze durch den Schlafsack in seinen Unterleib. Ein Stich, mehr nicht. Dann drückte sie ab. Er wollte noch etwas sagen, aber da umfing ihn schon die Nacht. Eine traumlose, kalte Nacht. Stille.
...
Zwölf Jahre später. Hilda, die ihren Vornamen praktischerweise behalten hatte und sich nun Hilda Neuenberg nannte, hatte sich in dem kleinen Hotel eingemietet, in dem sie jedes Jahr dreimal je eine Woche verbrachte - mit schöner Regelmässigkeit im Frühjahr, Sommer und Spätherbst. Der Hotelbesitzer kannte und schätzte sie, er freute sich über die Regelmässigkeit ihrer Besuche. Anfangs hatte sie ihn mit Bezugsscheinen bezahlt, über die sie in geradezu unerschöpflichen Mengen zu verfügen schien, später mit "harten" D-Mark. Einmal hatten sie abends in der Gaststube geplaudert, und sie hatte ihm von dem öden Bürojob erzählt, den sie bei den Besatzern in irgendeiner Schreibstube innehatte, aber deshalb habe sie Beziehungen, und in den drei Wochen, die sie Urlaub habe, müsse sie einfach hinaus in die Berge.
Am nächsten Morgen wanderte sie, einen Spazierstock in der Hand und den Rucksack auf dem Rücken, zu den nahegelegenen Kalksteinfelsen. Schliesslich setzte sie sich auf eine Bank, von der aus sie die weite Umgebung überblicken konnte, und spähte lange hinaus ins Tal. Niemand war hier oben zu sehen... schliesslich ging sie um die Bank herum und direkt in den Wald hinein, auf einen Felsen zu, an den sich eine Backsteinbaude lehnte. Ein Schild an der Tür besagte "Hochspannung, Lebensgefahr". Die Tür war verrostet und sah so aus, als ob sie jahrelang nicht mehr geöffnet worden sei. Es gab sicherlich tausende solcher einsamen Gebäude in den Wäldern, die niemanden interessierten - oder von denn jeder glaubte, sie sollten ihn besser nicht interessieren. Sie sah sich noch einmal um, dann zog sie einen grossen Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete umständlich das Schloss. Innen hin an einem Ladegerät eine Handlampe, daneben war ein Schaltkasten, der so aussah, als ob noch die Herren Siemens und Halske ihn persönlich zusammengeschraubt hatten. Der Boden ein schlichter Gitterrost, auf der gegenüberliegenden Seite eine Reihe Spinde.
Sie schloss sorgfältig die Tür hinter sich, schloss um, und drückte dann eine Reihe der Knöpfe. Eine Kontrolllampe leuchtete auf, sie trat zurück an die Backsteinwand. Was vorher wie ein harmloser Gitterrost ausgesehen hatte, schob sich zu Seite und gab den Blick auf eine verrostete Stahltreppe frei. Das war immer ihre erste Tat hier, nie war sie sich sicher, ob wirklich noch alles so war, wie sie es vor vielen Jahren verlassen hatten, als sie sich auf den Weg in ein neues Leben machten. Sie lächelte - ja, sie lächelte - dann trat sie an einen Spind, der in der Ecke stand, und begann, sich umzuziehen. Das Gefühl der kalten Luft auf ihrer Haut, als sie nur mit einem knappen Höschen bekleidet da stand, versetzte sie jedesmal in einen Zustand besonderer Erregung. Sie strich sich mit der Hand zwischen die Schenkel und seufzte.
Hier konnte sie sich ausleben, hier erfüllten sich ihre Begierden nach Macht. Und Macht erregte sie. Schon, als sie damals die Spritze in den nutzlos gewordenen K gejagt hatte. Gerda war zu ihr getreten und hatte von hinten die Arme auf ihre Brust gelegt. Sie hatten es stundenlang getrieben, überall wo es im Bunker überhaupt Platz gab, zwischendurch waren sie kichernd zu der Liege gegangen, auf der K regungslos lag, und hatten Schabernack mit seinem Körper getrieben. Erst dann, als sie sich ausgetobt hatten und Gerda - als die ranghöhere, wie sie lachend feststellten - sich mit den "Kolleginnen" in den Anlagen "Jade" und "Elbe" in Verbindung gesetzt hatte, bereitete sie eine Art Festmahl aus den Vorräten, kochte neuen Kaffee und sie beratschlagten, was nun zu tun sei.
Der Clou war von langer Hand geplant, wie leichtsinnig war es doch von den Idioten gewesen, das wichtigste, die Kommunikation, in Frauenhände zu legen! Dann weckten sie K auf und befragten ihn ausgiebig - dabei hatte sie den längsten Orgasmus, an den sie sich jemals erinnern konnte. Sie hatten ihn mit den Handschellen - was fand sich nicht alles in so einem Bunker, der für das Überwintern eingerichtet war! an einen Stahlträger gefesselt, und nun sass Gerda, mit seiner Dienstwaffe in der Hand, vor ihm auf einem Hocker, lässig kippelnd und eine Zigarette zwischen den Lippen. Sie selber hatte eine Stahlgerte in der Hand und stand neben ihrem Gefangenen. Stundenlang hatten sie ihn befragt und sich nebenbei geliebt - vor seinen Augen auf einer Matraze, die in einer Ecke des sonst leeren Betonraums lag - vorgesehen für ihn, wenn sie denn mit ihm fertig wären. Denn sie würden ihn noch brauchen... und wollten sich ja auch den Spass noch lange gönnen.
Als sie aus diesen wohligen Erinnerungen wieder auftauchte, stand sie breitbeinig an die Wand gelehnt, eine Hand zwischen ihren Schenkeln, die andere knetete ihre Brust. Laut musste sie auflachen, es gab viel zu tun, und sie wusste ja gar nicht, ob die anderen schon eingetroffen waren. Jede benutzte einen eigenen Eingang... schnell zog sie die schwarze Uniform an und die neune, glänzenden Lederstiefel, die sie sich dazu gegönnt hatten. Dann setzte sie die Schirmmütze auf, schnallte den Koppel um, und stieg langsam die Stahltreppe hinab.